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August Schnezler

Der Mummelsee

Im Mummelsee, im dunklen See,
Da blüh'n der Lilien viele,
Sie wiegen sich, sie biegen sich,
Dem losen Wind zum Spiele;
Doch wenn die Nacht hernieder sinkt,
Der volle Mond am Himmel blinkt,
Entsteigen sie dem Bade
Als Jungfern am Gestade.
Es bläst der Wind, es saust das Rohr
Die Melodie zum Tanze,
Die Lilienmädchen schlingen sich,
Als wie zu einem Kranze;
Und schweben leis' umher im Kreis,
Gesichter weiß, Gewänder weiß
Bis ihre bleichen Wangen
Mit zarter Röte prangen.
Es braust der Sturm, es pfeift das Rohr,
Es rauscht im Tannenwalde,
Die Wolken zieh'n am Monde hin,
Die Schatten auf der Halde;
Und auf und ab, durch's nasse Gras
Dreht sich der Reigen ohne Maß,
Und immer lauter schwellen
An's Ufer an die Wellen.

Da hebt ein Arm sich aus der Flut,
Die Riesenfaust geballet
Ein triefend Haupt dann, schilfbekränzt
Vom langen Bart umwallet,
Und eine Donnerstimme schallt,
Dass im Gebirg' es widerhallt:
»Zurück in eure Wogen,
Ihr Lilien ungezogen!«

Da stockt der Tanz, die Mädchen schrein,
Und werden immer blässer:
»Der Vater ruft, hu, Morgenluft!
Zurück in das Gewässer!«
Die Nebel steigen aus dem Tal,
Es dämmert schon der Morgenstrahl,
Und Lilien schwanken wieder
Im Wasser auf und nieder.