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Johann Wolfgang von Goethe

Der Sänger

Was hör ich draußen vor dem Tor.
Was auf der Brücke schallen?
Lass den Gesang vor unserm Ohr
Im Saale widerhallen!
Der König sprach's, der Page lief;
Der Knabe kam, der König rief:
Lasst mir herein den Alten!
Gegrüßet seid mir, edle Herrn,
Gegrüßt ihr, schöne Damen!
Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!
Wer kennet ihre Namen?
Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit
Schließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit,
Sich staunend zu ergötzen.
Der Sänger drückt' die Augen ein
Und schlug in vollen Tönen;
Die Ritter schauten mutig drein,
Und in den Schoß die Schönen.
Der König, dem das Lied gefiel,
Ließ, ihn zu ehren für sein Spiel,
Eine goldene Kette reichen.
Die goldene Kette gib mir nicht,
Die Kette gib den Rittern,
Vor deren kühnen Angesicht
Der Feinde Lanzen splittern.
Gib sie dem Kanzler, den du hast,
Und lass ihn noch die goldne Last
Zu andern Lasten tragen.
Ich singe, wie der Vogel singt,
Der in den Zweigen wohnet;
Das Lied, das aus der Kehle dringt,
Ist Lohn, der reichlich lohnet;
Doch darf ich bitten, bitt ich eins:
Lass mir den besten Becher Weins
In purem Golde reichen.
Er setzt ihn an, er trank ihn aus:
O Trank voll süßer Labe!
Oh! wohl dem hochbeglückten Haus,
Wo das ist kleine Gabe!
Ergeht's euch wohl, so denkt an mich,
Und danket Gott so warm, als ich
Für diesen Trunk euch danke.