zurück

Ferdinand Avenarius

Natur

Hab’ heut’ vor mir des Weges gehn
eine Gnädige mit ihrem Knäblein gesehn –
hochelegant, das Bürschlein zumal
geschnitten aus dem Modejournal,
nun hielten Madam just Lektion,
dozierten vom feinen Anstandston:
da müsse nicht Schritt und Tritt allein,
auch Wort und Blick gemessen sein –
drum solle sich’s endlich mal menagieren,
zum Beispiel nicht so mit den Armen vagieren –
man müsse ja sonst glauben, dass er
so ein hergelaufener Junge wär,
man müsse sich sonst ja ordentlich schämen
ihn wieder mit spazieren zu nehmen.

Das Bürschlein – fünf Jahre mocht’s, denk’ ich, zählen –
schien auch die Sache ziemlich zu quälen:
es trippelte sittsam und still fürbaß
und dachte betrübt an dies und das,
zerknickt, schien’s, von dem Herzeleid
ob seiner schlimmen Verworfenheit.
Und als des Wegs eine Pfütze kam,
die endlich sein Auge in Anspruch nahm,
wandt’s, eingedenk de Lehren, sich
zur Mutter und fragte bescheidentlich:
„Darf ich mich mal in die Pfütze legen?“

Da dacht’ ich: o lust’ge – Mutter Natur,
lass du sie ängsteln und pfuschen nur
mit ihrer Lackier- und Verkleisterung
du wirst ein Mensch – Glückauf, mein Jung’!