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Conrad Ferdinand Meyer

Vercingetorix

Aus des Volkes lauten Wogen
Steigt in dreigeteiltem Bogen
Des Triumphes prangend Tor;
Ein Gespann von Marmorrossen,
Weiß wie Schnee, von Licht umflossen,
Springt mit leichtem Huf empor.

Mit dem Schlüsselbund ein Alter,
Der Gefängnisse Verwalter,
Schreitet um das Kapitol,
Steigt hinab die Seufzerstufen –
„Gallier! Gallier!" rollt sein Rufen
In die Tiefe dumpf und hohl.

„Gallier, komm den Zug zu zieren,
Rom und Cäsar triumphieren,
Uns der Ruhm und dir der Hohn!
Drauf bist du dem Henker eigen,
Und dann magst du ewig schweigen
Schweigst du ja so lange schon."

In des Kerkers feuchter Ecke,
Wo sich niederwölbt die Decke,
Lehnt ein Haupt verhüllten Blicks;
Aber wie der Ruf erschollen,
Blitzend hebt die freudevollen
Augen Vercingetorix.

"Römer, Dank für deine Kunde!"
Schallt's aus seinem trotz’gen Munde,
"Reden will ich noch mit dir.
Weißt du denn, warum ich trage
Ohne Laut und ohne Klage
Die verhasste Fessel hier?

Mit den jungen Gaugenossen,
Eng vom Römerwall umschlossen,
Cäsars ganzen Hasses wert,
Zückte schon zu freiem Sterben,
Den Triumph ihm zu verderben,
Ich auf diese Brust das Schwert.

Doch bevor mich Tod umgraute,
Sah ich die mir anvertraute
Schar verstummt in trübem Mut:
Birgt er mich mit nächt'gem Flügel,
Rötet mir den Grabeshügel
Cäsar mit der Brüder Blut.

Strömen werden heiße Tränen
Rings im Lande! - Schnell an jenen
Send ich: Cäsar, lass sie ziehn!
Mich, der dich aufs Haupt geschlagen,
Fessle mich an deinen Wagen,
Nimm die volle Beute hin!

In dem hellsten Waffenglanze
Jag allein ich aus der Schanze,
In der Faust des Schwertes Blitz,
Dreimal flieg ich um im Kreise,
Noch im Lauf nach Gallierweise
Spring ich ab vor Cäsars Sitz.

Mir ins Antlitz schnaubt das treue
Tier, ich stoß ihm ohne Reue
Meine Waffe durchs Genick,
Schleudre sie zu Cäsars Füßen.
Hei! das war ein blutig Grüßen,
War ein Trotzen Blick in Blick!

Über Meer entführt, gebunden,
Stunden Jahre, Jahre Stunden
Modernd in des Kerkers Gruft –
Komm! Noch aufrecht kann ich gehen
Unter Sklaven und Trophäen,
Schon umweht von Heimatluft!

Hat er sich mit mir gebrüstet
Wird mir Block und Beil gerüstet,
Wenn die Sonne neigt den Lauf.
Dann ein Streich! der Kerker zittert
Und mein Ross, das Blut gewittert,
Aus der Tiefe braust es auf.

Sausend geht es durch die Felder
In die Geisternacht der Wälder,
Über Felsen kühn und wüst!
Hör ich meiner Rhone Stimme?
In den Strom, mein Tier, und schwimme!
Heimat, Heimat, sei gegrüßt !